Venedig ist dem Untergang geweiht und das schon seit ewigen Zeiten! Die auf Holzpfählen am Anfang des 5. Jahrhunderts in den Sümpfen der oberen Adria erbaute, später zur Weltmacht aufgestiegene Siedlung sinkt Jahr für Jahr ein paar Millimeter, um dann mit aufwendigen Restaurierungsmaßnahmen wieder gerettet zu werden. Das gelingt auch im Zentrum der Stadt rund um den Markusplatz, in den Außenbezirken hingegen hat sich Dekadenz breit gemacht. Die dortigen Bewohner haben angesichts der regelmäßig wiederkehrenden Wassermassen resigniert und nicht selten die Häuser dem Verfall preisgegeben, so verliert die „Königin der Adria“ pro Jahr rund 3000 Einwohner.
Hochwasser-Vorhersagen und -Warnungen in Venedig wurden seit dem Rekordhochwasser vom 4. November 1966 (1,94 m) verbessert.
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Mit MO. S. E. gegen die Flut
Die Ursachen für das Versinken Venedigs sind vielfältig. Genannt werden der Anstieg des Meeresspiegels aufgrund der Klimaerwärmung, die Entnahme von Grundwasser und Erdgas, die Verschiebung der Erdplatten bis hin zu Fischerei, die die Vegetation am Meeresboden zerstören und das Abtragen von Sedimenten erleichtern soll. Auch das Ausbaggern einiger Fahrrinnen für Großschiffe soll eine Mitschuld tragen. Schließlich wären da noch die Gezeiten: bei Normalflut steigt das Wasser knapp 90 cm, wenn es mehr ist – etwa infolge kräftiger Unterstützung des Sahara-Windes Scirocco – spricht der Venezianer von „Acqua alta“. Ab 2016 – der Termin wurde schon mehrfach verschoben und Bürgermeister Giorgio Orsoni musste wegen eines Korruptionsskandals zurücktreten – soll das Projekt MO. S. E. helfen, Venedig mittels dreier großer Schleusentoren vor Hochwasser zu schützen.
Der Canal Grande vollzieht eine spiegelverkehrte S-Kurve vom Bahnhof Venezia Santa Lucia bis zum Markusplatz.
Freilichtmuseum der besonderen Art
Am nachhaltigsten sind für den Venedig-Besucher der Geruch des brackigen Wassers und die Touristenmassen, die sich durch die verwinkelten Gassen schieben und an jeder Ecke mit vielen „Oohs“ und „Aahs“, die sich im Laufe eines Tages immer ähnlicher werdenden aber jederzeit pittoresken Perspektiven zu begaffen. Dass die andauernden Restaurierungsmaßnahmen finanziert werden können, ist den Besuchern zu verdanken, die die Einmaligkeit Venedigs bestaunen und sich dabei ausnehmen lassen wie die Weihnachtsgänse. Hier ist alles wesentlich teurer als anderswo in Italien. Sicher, die Kosten für das Hinbringen der Waren, die Instandhaltung der Gebäude und die Entsorgung des Mülls sind besonders hoch, das Preis-/Leistungsniveau ist dennoch unter aller Kanone.
Geschätzt sind es 25 Millionen Besucher, die Venedig jährlich besuchen – zu viele für die Stadt, so dass ernsthaft überlegt wird, den Besucherstrom mittels eines „Numerus Clausus“ oder über eine Eintrittsgebühr zu regulieren. Tatsächlich wirkt die Stadt wie ein Freilichtmuseum. Dennoch gibt es auch Ideen, Venedig zu entkommerzialisieren, indem Brachflächen wie das ehemalige Militärgelände im Sestiere Arsenale für Wohngebiete mit Radweg zum Festland aufbereitet werden. Wer Venedig besucht hat, ist zunächst einmal erschlagen von den Preisen, den Touristenmassen, von Kunst und Kitsch (klassiche Mitbringsel für die Daheimgebliebenen wären venezianische Masken oder Glas aus Murano) – kurz von der Vielfalt der Eindrücke, doch bald kommt der Wunsch auf die „Königin der Adria“ irgendwann wieder zu besuchen, vorzugsweise dann, wenn weniger Touristen da sind und die Preise etwas günstiger.