Ich gehöre zu den Menschen, die Indien nicht mehr loslässt. Es ist wie eine große Liebe. Höhen und Tiefen, Abstand und Nähe, Hass und Liebe, aber auf gar keinen Fall ohne sie. Aus diesem Grunde habe ich mich entschlossen insgesamt knapp acht Wochen Indien mit sehr guten Freunden auf ein Neues zu erkunden. Viele Menschen wollen Indien erst einmal in einer professionell geführten Rundreise, wie z. B. mit Shiva-Reisen entdecken. Ich dagegen fühle mich nach vielfältigen Erfahrungen in Südasien mittlerweile sicher genug, das Land individuell, auf eigene Faust zu erkunden. Diesmal ist der Süden dran: In Kalkutta angefangen über Varanasi, Mumbai und Palolem nach Banagalore bis in den Bundesstaat Kerala. Eine Reise durch den Süden Indiens.
Von der Megacity Bangalore, Indiens drittgrößter Stadt mit über 8,4 Mill. Einwohnern, im Bundesstaat Karnataka fahren wir direkt in den Aschram nach Amritapuri in Kerala. Karunagappally ist unser Zielbahnhof. Städtenamen sind in Indien meist ellenlang und zungenbrecherisch. Dank meiner äußerst Namen-affinen Freundin sind wir aber auch wirklich dort ausgestiegen. Wäre ich alleine gewesen, hätte ich den Ort verpasst und wäre nichtsahnend bis zur Endstation weitergefahren. Für den Rikscha Fahrer dort war sofort klar, wo wir hinwollten. Zwei Europäerinnen mit Rucksack, die können nur in den Aschram wollen. So fuhren wir gefühlt bis ans Ende der Welt und vor uns bäumte sich ein überwältigender pinkfarbener mit Türmchen verzierter Tempel inmitten des Kokospalmenwaldes auf.
Auf dem Gelände leben insgesamt über 2000 Menschen. Stammend aus Indien und dem Rest der Welt. Ihr weiblicher Guru, leider im westlichen Sprachgebrauch etwas negativ konnotiert, ist “Amma“ die umarmende Mutter. Amma ist weltbekannt für ihre liebevollen und magischen Umarmungen den Darshans, ihre Weltoffenheit und unglaubliche Herzlichkeit sowie durch ihre unzähligen Charityprojekte auf der ganzen Welt. Hier lernen wir mehrere Tage, was es heißt in einer großen Gemeinschaft zu leben, gemeinsame Arbeit zu leisten und vor allem mit sich selbst zu sein, mit Hilfe von Meditation und Yoga. Eine nachhaltige Erfahrung die ich nicht missen möchte. Hier reift mehr und mehr die Erkenntnis, dass es in Indien viel mehr darum geht, die momentanen Begebenheiten einfach anzunehmen und in das eigene Leben einzubauen. Die westliche Kultur dagegen baut meines Erachtens auf Verstehen und sich in der Masse wiederfinden auf.
Mit einem weinenden und einem lachenden Auge verlassen wir den Aschram und machen uns auf den Weg nach Varkala an der Malabarküste. Der Strand, erreichbar über Treppen, mit goldenem feinen Sand und hohen bewegten Wellengang befindet sich unterhalb einer Steilküste. Bei Sonnenuntergang wenn das Wasser glitzert und der Sand sich Gold färbt, toben wir im Wasser und reiten in den Wellen wie Kinder. Hier werden wir länger bleiben als geplant. Der Ort lässt uns lange einfach nicht mehr los. Morgens verwöhnt dich die gutgelaunte Crew des Cafe ABBAs mit ihren kulinarischen Köstlichkeiten während die Könige der Lüfte erhaben an der Bucht entlanggleiten. Des Weiteren ist eine Yogastunde bei Haridas gleich im Hotel dahinter sehr zu empfehlen. Er ist ein außergewöhnlicher Lehrer mit außergewöhnlicher Aussprache als hätte er einen Hund verschluckt.
Varkala gilt ebenso als ein hinduistischer Pilgerort dank seines Janardana-Swami-Tempels. Wir haben Glück und dürfen bei einem Tempelfest dabei sein. Ganz Varkala hat sich zusammengefunden und wartet auf die prunkvoll geschmücktem Elefanten die zum Ende der Vorführung erhaben die Tempeltreppen emporsteigen werden. Halbstarke trommeln rythmisch und ausdauernd in ihren Luongis und weitere Männer verkleidet als Götter, Dämonen oder Rießen stellen sich zur Schau. Überall sieht man farbenprächtige Kostüme, der Duft von Räucherstäbchen liegt in der Luft; einfach eine Wahnsinns-Atmosphäre! Ausgelaugt von der erdrückenden Hitze und der prallen Sonne stärken wir uns mit einem Chai gleich nebenan an den Ghats.
Nach diesen Tagen brauchen wir ein wenig Abwechslung und entscheiden uns kurzerhand in die Berge zu fahren. Munnar liegt auf 2400 m hoch in den Bergen, vom Panorama ähnlich der Schweiz. Soweit das Auge reicht, linienförmig angeordnete Teeplantagen in satten Grüntönen deren Oberfläche plüschig wirkt. Da Tee zu meinem Lebenselixier gehört war dieser Anblick ein ganz wertvoller Moment für mich. Das ließ die kalte klare Bergluft und die eisigen Füße in den Nächten vergessen. Ausatmen und ganz in die Natur eintauchen. Hier ballt sich die ganze Ruhe Indiens. Im Hause ZINA einer am Hang gelegenen Unterkunft hat man genug Zeit um im Garten die Seele baumeln zu lassen, viel köstlichen Tee zu trinken, die mühsame Handarbeit der Tee Pflückerinnen zu beobachten und Energie zu tanken für die nächste Haltestelle ganz unten am Fuße des wildesten, chaotischstem, lautestem und doch beeindruckendsten Lande der Welt.
Als sich meine Reise dem Ende zuneigte stellte ich ein weiteres Mal fest, dass ich erneut viel gesehen und gelernt hatte, Entschleunigung spürte und vor allem Dinge so annehmen konnte wie sie sind. Das macht eine Reise in das größte Land der Erde zu einem Abenteuer, zu einer Herausforderung und vor allem zu einem unvergesslichen Erlebnis.
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Text und Fotos: Lea Lazari
3 Antworten zu “Eine Rundreise durch Südindien – Die etwas andere Ruhepause”
[…] einige Artikel zu Zielen im Norden Indiens verlinkt. Doch der Süden ist nicht weniger schön. Auf Reise Typ findet ihr aktuell einen Bericht über eine Tour von Bangalore zu einem Aschram in Kerala. […]
Ein wirklich schöner Bericht über eine Rundreise durch Südindien.
Mir gefällt vor allem das Wechselspiel aus beschreibendem Text und veranschaulichenden Fotos, das passt hier einfach. Wer da nicht Lust auf Indien bekommt ist selber Schuld 🙂
[…] einige Artikel zu Zielen im Norden Indiens verlinkt. Doch der Süden ist nicht weniger schön. Auf Reise Typ findet ihr aktuell einen Bericht über eine Tour von Bangalore zu einem Aschram in Kerala. […]