Auf einer Reise nach Rumänien, genauer gesagt nach Transsilvanien, stieß ich auf Ungeheuer von gruseligerer und beklemmenderer Natur als der sagenumwobene Vampirfürst, der auch dort beheimatet ist: auf die Siebenbürgersachsen.
Ein kleines Völkchen von deutschen Aussiedlern, die im tiefsten Mittelalter von Sachsen nach Transsilvanien gegangen sind auf der Suche nach einer besseren Zukunft. Sie wurden nach Rumänien geschickt, weil sie dafür sorgen sollten, dass die „türkischen Horden“ nicht die Ostfront nehmen. Deshalb wurden sie mit allerlei Privilegien angelockt, die ihnen mehr Möglichkeiten boten, als sie in Deutschland hatten.
Einmal angekommen nahmen die Herren ihre Aufgabe mit deutscher Gründlichkeit in Angriff (Türken gibt es in Rumänien keine) und bauten sich sieben Städte mit sieben Burgen; Siebenbürgersachsen eben.
Das tiefe Mittelalter ist vorbei, die Siebenbürger gibt es noch, wenigstens im Sommer. Sommersachsen heißen sie, weil fast alle von ihnen zwischen 1970 und 1990 unter dem kommunistischen Regime Ceausescu nach Deutschland zurückgegangen sind und nur noch in den Sommerferien nach Rumänien kommen. Sie sind lustige Gesellen, die gerne und in rauen Mengen selbstgebraute Liköre und Weine zu sich nehmen, immer viel zu viel zu Essen für alle mitbringen, von fröhlichem Gemüte sind und ein wahrhaft ulkiges Deutsch sprechen (es ähnelt in vielen Punkten dem Mittelhochdeutsch, hat aber auch andere Einflüsse).
Erst abends, wenn sie zu singen anfangen, wird es unheimlich. Hymnen vom deutschen Gott und deutschem Blute, das sich nicht vermischen darf, werden zum besten gegeben, der Verlust der heimischen Kamine beweint und die Schönheit der Felder und Wiesen besungen. Urdeutsche Melodien; urdeutsche Texte.
Wahlweise kann man auch auf einen Sachsenball gehen, wenn man sich mal so richtig gruseln möchte. Dort tummeln sich weiße Hemden mit der Aufschrift „Siebenbürgen süße Heimat“ und den ganzen Abend bekommt man deutsche Schlager zu hören, vorgetragen von 20-jährigen „Siebenbürgersachsen“; allesamt in Deutschland geboren und aufgewachsen; um die verlorene Heimat trauern sie trotzdem. Zur Sicherheit.
Die diesjährige Nobelpreisträgerin für Literatur Herta Müller ist Siebenbürgersächsin. Sie ist bisher die Einzige, die ich „kenne“, die kritische Worte über das eigene Volk verlauten ließ. Bei ihren Landsmännern hat sie sich damit aber nicht unbedingt beliebt gemacht; das geht schließlich gegen die Ehre. Beim Nationalsozialismus haben sie enthusiastisch mitgemacht, aufgearbeitet haben sie nichts. In ihrer Geschichte gibt es nur die bösen Kommunisten, die ihnen alles weggenommen haben. Gut waren die bestimmt nicht, aber die Siebenbürger sind sicher nicht besser.
Faszinierend, auf seine grusel- und schreckenerregende Art, wie die Deutschen in der Fremde deutscher geworden sind, als die Deutschen. Was ist schon Drakula dagegen?
Foto: Dracula´s Castle von Mrs. Logic.