Nachdem wir etwa drei Wochen auf dem Camino del Norte unterwegs waren, haben wir uns in der Herberge in Sebrayu nach etwas Überlegen für den Camino Primitivo entschieden und gegen das Weiterwandern auf dem Jakobsweg an der Küste entlang. Der Camino Primitivo gilt als der ursprünglichste aller Caminos, ist wohl etwas anstrengender aber auch kürzer als die Jakobsweg-Route über Gijon und Aviles. Die erste Etappe von Sebrayu nach La Vega war durchaus hart, die Steigungen machten uns in der spanischen Sommerhitze zu schaffen.
Eigentlich fängt der Camino Primitivo offiziell erst in Oviedo an, wo wir noch einen weiteren Tag geblieben sind: mitten in Gascona auf dem “Boulevar de la sidra” haben wir Quartier bezogen, um uns von den vielen anstrengenden Etappen mit oft mehr als 30 km Wandern pro Tag bei leckerem asturischen Essen und dem obligatorischen Apfelwein / Sidra zu erholen. Seit San Sebastian hatten wir nach knapp 3 Wochen und über 400 km Wandern keinen Ruhetag gehabt.
Unsere Etappen auf dem Camino Primitivo:
Sebrayu – La Vega de Sargiego 23,5 km (gehört egtl. noch nicht zum „primitiven Jakobsweg“)
La Vega – Oviedo 27 km
Oviedo – Escamplero 12 km
Escamplero – Cornellana 25,5 km
Cornellana – Bodenaya 16 km
Bodenaya – Campiello 24,5 km
Campiello – Berducedo 27 km
Berducedo – Grandas de Salime 20 km
Grandas de Salime – A Fonsegrada 25 km
A Fonsegrada – Castroverde 33 km
Castroverde – Lugo 21,5 km
Lugo – Ponte Ferreira 25,5 km
Ponte Ferreira – Ribadiso 31 km
Ribadiso – Santiago de Compostela 42 km.
Insgesamt waren wir also auf dem Camino Primitivo ungefähr 350 km unterwegs (je nach Zählung und Umwegen kommt man auf eine davon leicht abweichende Kilometeranzahl).
Camino Primitivo – Etappen auf Google Maps
Unser erster Tag von Oviedo in Richtung Escamplero hatte sich als Odyssee ohne Ende herausgestellt. Erst waren wir in die falsche Richtung nach Aviles gewandert, und danach hatten wir uns des Öfteren verlaufen, da die Wegmarkierungen in Oviedo recht dürftig sind. Statt den offiziellen 12 km waren wir dann locker 20 km und mehr unterwegs.
Die Herberge in Escamplero hatte unsaubere Betten, nicht abschließbare Klos und offenbar hatte einer unserer Bettnachbarn nächtens “the runs” bzw. auf gut Deutsch gesagt die Scheißerei wie wir alle am nächsten Morgen unschwer an den Überresten neben der Toilette auf dem Boden und an der Wand erkennen konnten. Wie sagt man so schön: shit happens…
Die perfekte Albergue
haben wir dann auf der nächsten Etappe von Escamplero aus zuerst in dem 25.5 km entfernten Cornellana gefunden. In einem alten Kloster wurde eine Pilgerherberge eingerichtet, die wirklich nicht zu wünschen übrig lässt: großzügige Räume, Waschzimmer mit Waschmaschine und Trockner, Küche mit funktionierenden Herdplatten, Kaffeemaschine, Kühlschrank und sogar Vorrat. Die Stockbetten sind sauber, und genügend Steckplätze für elektronische Gerätschaften sind auch ausreichend vorhanden, sodass man sich nicht darum streiten muss, wer sein Smartphone zuerst aufladen darf.
Als wir 26 km später in Bodenaya angekommen waren, wurden unsere positiven Erfahrungen noch einmal gesteigert: Alejandro, der ehemalige Taxifahrer aus Madrid, hat vor acht Jahren sein Leben grundlegend verändert und widmet sich mit ganzem Herzen den Pilgern. Sein privates Haus bietet Herberge für bis zu 23 Pilger, denen er abends ein Gemeinschaftsessen zubereitet. Morgens wird nach Absprache mit schöner Musik aus dem Schlaf geweckt und zum Kaffee gerufen.
Er lehnt jegliche Mithilfe ab – auch beim Waschen stinkender Pilgerwäsche, die er von den erschöpften Wanderern nach dem Duschen entgegennimmt. So viel Gastfreundlichkeit auf einmal habe ich selten bis gar nicht erlebt – und das alles gegen eine freiwillige Spende! Ihr könnt Alejandro u.a. über Facebook erreichen.
Die nächste Etappe von Bodenya nach Campiello über ca. 27 km war eine der schönsten auf dem Camino Primitivo: auf weichen Wald- und Feldwegen gelangt man in malerische Natur, vorbei an vielen Kuhwiesen durch kleine verschlafene Dörfer und hügelige Landschaft.
Ein kurzer Stopp in dem kleinen Städtchen Tineo bei gutem Kaffee reicht, um den zweiten Teil der Tagesetappe ruhig anzugehen. Für ein nächstes Albergue-Highlight sorgt Herminia mit ihrem Team: für 23 Euro gibt es nicht nur den Schlafplatz in einem der Stockbetten sondern auch das legendäre 6-Gänge-Menü und ein Frühstück. Empfehlenswert!
Abenteuer auf der Hospitales-Route
Die wohl abenteuerlichste Etappe des Camino Primitivo folgte am nächsten Tag: es ging auf dem “Hospitales-Weg” insgesamt fast 1000 m bergauf, und am Gipfel überraschte uns ein Gewitter samt Hagelschauer. Die Hagelkörner wurden immer größer, und irgendwann konnten wir nicht mehr weiter gehen. Mit dem Rucksack gegen den Wind gestellt, versuchten wir uns gegen die Geschosse zu schützen. Wir trugen nur blaue Flecken davon – Sabi hingegen wurde nach eigenen Angaben vom Blitz getroffen (!). Zumindest habe er den Blitzeinschlag gesehen und konnte sekundenlang später erst wieder atmen.
Unsere Pilgerfreunde und wir hatten diese Etappe alle heil überstanden, wobei man bei schlechtem Wetter eher davon absehen sollte, den legendären Hospitales-Weg zu gehen. Die Jakobsweg-Route über La Pola wäre nur bedigt eine bessere Alternative – im Zweifelsfall lieber abwarten, bis das Gewitter vorbeigezogen ist. Bei unserer Ankunft abends in Berducedo hatten wir nach dieser 11-stündigen Wanderungen jedenfalls viel zu erzählen.
Eine Woche blieb uns noch bis nach Santiago de Compostela – dem ultimativen Ziel aller Jakobspilger. Auf diesem Weg haben wir viele nette Leute kennengelernt, vor allem Deutsche. Offenbar hat es sich vor allem bei den deutschen Pilgern herumgesprochen, dass der Camino Primitivo ein echter Geheimtipp ist. Doch bei der steigenden Beliebtheit der letzten Jahre wird das kaum so bleiben – wer also Zeit hat, sollte sich so schnell wie möglich auf den Weg dorthin machen. Spätestens nach der Verfilmung von Hape Kerkelings Bestseller wird es sicher noch einen verstärkten „run“ nach Spanien geben!
Was mir nach 3-4 Wochen Wandern auf dem Jakobsweg aufgefallen ist: die Schmerzen lassen plötzlich von heute auf morgen nach, und selbst 30 km Etappen und mehr fallen einem leicht. Anfangs hatte ich noch nach 20 km Pilgern große Schwierigkeiten, und zum Schluss haben wir mit 42 km einen ganzen Marathon in etwa 9 Stunden gemeistert.
Fazit:
Insgesamt ist der Camino Primitivo durch seine urtümliche Natur ein echter Geheimtipp unter den Caminos, und das Pilgern auf dem Jakobsweg ist hier besonders lohnenswert. Die Etappen sind im Durchschnitt härter, da hügeliger, doch wir waren froh über unsere Entscheidung, nicht den Camino del Norte weiter zu gehen. Nach meinen Aufzeichnungen hatte dieser Jakobsweg eine Länge von etwa 350 km, die wir von Oviedo nach Santiago de Compostela gepilgert sind, die man innerhalb zwei Wochen mit einer guten Grundausdauer gut meistern kann.
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Eine Antwort zu “Der Camino Primitivo”
[…] behalten. Viele von ihnen waren sehr interessant, und mit manchen konnten wir uns vor allem auf dem Camino Primitivo etwas anfreunden. Ob wir sie jemals wieder sehen […]